LSG Baden-Württemberg: stationäre Diagnostik bei ALS zur Zweitmeinung nicht immer erforderlich
Diagnostik zur Zweitmeinung auf dem Prüfstand – und ein juristischer Erfolg mit Signalwirkung: Unsere Kanzlei konnte sich vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 26.05.2025, L 4 KR 2421/23) gegen ein zuvor klagezusprechendes Urteil des Sozialgerichts Ulm durchsetzen. Im Zentrum des Verfahrens: die Frage, ob bei der Diagnose einer Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) eine stationäre Aufnahme zur Zweitmeinung notwendig war – oder ob die ambulante Versorgung durch spezialisierte Einrichtungen, insbesondere eine Fachambulanz, genügt. Das Berufungsgericht entschied klar: „schwere Erkrankung“ ist nicht automatisch „stationär“ – selbst bei einer so schweren Erkrankung wie ALS.

Bemerkenswert war nicht nur der Ausgang des Falls, sondern auch, dass das Landessozialgericht der Argumentation des gerichtlichen Sachverständigen ausdrücklich nicht folgte – ein seltenes, aber wegweisendes Votum zugunsten einer streng am Leistungsrecht orientierten Fehlbelegungsprüfung. Ein Fall, der nicht nur für Rechnungsprüfer der Krankenkassen und die Prüfpraxis des Medizinischen Dienstes von Bedeutung ist, sondern auch die ambulante Spezialversorgung bei Motoneuronerkrankungen wie ALS stärkt.
Die Erkrankung ALS und ihre diagnostischen Herausforderungen
Was ist ALS?
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, bei der motorische Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark zerstört werden. Dies führt zu einer zunehmenden Lähmung der Muskulatur bis hin zur Ateminsuffizienz. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung beträgt nur wenige Jahre. Wegen des komplexen Verlaufs ist eine exakte Diagnose essenziell – insbesondere, um Fehldiagnosen zu vermeiden und Behandlungsentscheidungen zu stützen.
Herausforderung der Diagnostik
Die Diagnostik von ALS erfordert eine Kombination neurologischer, elektrophysiologischer und bildgebender Verfahren. Da es keine spezifischen Biomarker gibt, ist die Diagnose in der Regel ein Ausschlussverfahren. Der diagnostische Prozess ist unbestritten anspruchsvoll; die Diagnose von großer Tragweite. Entsprechend bieten die Mittel des Krankenhauses die Möglichkeiten zur Diagnosestellung. Zugleich haben sich jedoch zahlreiche Fachambulanzen etabliert, die ebenfalls die entsprechende Diagnostik anbieten und mit hochkompetentem Personal ausgestattet sind.
Zweitmeinung als rechtlich relevanter Vorgang
Auch rechtlich ist die Zweitmeinung gemäß § 27b Abs. 1 SGB V ein wichtiges Instrument zur Sicherung der medizinischen Qualität. Zwar lässt das LSG die Frage offen, ob im konkreten Fall ein Rechtsanspruch auf Zweitmeinung bestand – dennoch wird durch das Urteil klar: Selbst bei Zweifeln an der Erstdiagnose ist nicht automatisch die stationäre Aufnahme erforderlich. Ob tatsächlich ein Rechtsanspruch auf eine Zweitmeinung besteht, erscheint in Fällen wie hier zweifelhaft, weil es – anders als von § 27b Abs. 1 SGB V adressiert – nicht um eine planbare Operation geht. Daher erscheint es nach § 12 Abs. 1 SGB V fraglich, ob bei hochqualifizierter Erstdiagnostik eine Zweitmeinung das Maß des Notwendigen nicht doch überschreitet. Dies konnte wegen der ambulanten Erbringbarkeit der Diagnostik jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen.
Streitpunkt: Stationär oder ambulant bei ALS-Zweitmeinung?
Ausgangslage des Versicherten
Der Fall betrifft einen Versicherten, der nach bereits durchgeführter neurologischer Erstdiagnostik mit bereits bestätigter ALS zur erneuten Abklärung stationär in einem Klinikum aufgenommen wurde. Die stationäre Aufnahme begründete das Krankenaus mit dem Argument, man könne „aus einer Hand“ die notwendigen Untersuchungen zeiteffizient durchführen.
Stationäre Aufnahme trotz vorhandener Ambulanzen
Das Gericht stellte jedoch klar: Auch für schwere Erkrankungen wie ALS existiert ein bundesweites Netzwerk spezialisierter Ambulanzen, wie z.B. das MND-Net (Netzwerk für Motoneuronerkrankungen). Diese Einrichtungen bieten eine koordinierte und qualitätsgesicherte Versorgung an – inklusive Diagnostik, Therapieeinleitung und Verlaufskontrolle. Der bloße Verweis auf vermeintlich schnellere stationäre Prozesse reicht nicht aus, um eine stationäre Behandlung im Sinne von § 39 SGB V zu rechtfertigen. Nach unserer Recherche sind im Übrigen auch entsprechende Fachambulanzen um eine schnell Terminvergabe bemüht. Der Senat des Landessozialgerichts ging daher davon aus, dass für die Diagnostik im Ausgangspunkt sowohl die stationäre als auch die ambulante Versorgungsstruktur in Betracht kommen.
Keine generelle Eilbedürftigkeit
Entscheidend war nach Ansicht des LSG: Eine generelle Eilbedürftigkeit, die automatisch bei einer ALS eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit begründet, besteht nicht. Vielmehr ist auf den konkreten Gesundheitszustand des Versicherten abzustellen. Konkret ist zu prüfen, ob der Gesundheitszustand einer ambulanten Diagnostik im konkreten Einzelfall in nachvollziehbarer Weise entgegensteht. Da der Patient im vorliegenden Fall in gutem Allgemeinzustand war, keine Pflegebedürftigkeit bestand und er sogar weiterhin berufstätig war, war gerade nicht nachvollziehbar, dass die stationäre Aufnahme zwingend notwendig war.
Die Positionen der Beteiligten im Rechtsstreit
Klinik: hohe Komplexität und Zeitdruck rechtfertigen stationäre Aufnahme
Die klagende Klinik argumentierte, dass nur im stationären Setting eine „kompakte Diagnostik aus einer Hand“ unter Einbindung multipler Fachbereiche möglich sei. Sie betonte die Dringlichkeit angesichts der infausten Prognose und bezog sich auf einzelne erstinstanzliche Urteile, die bei ALS-Verdacht eine stationäre Untersuchung als gerechtfertigt ansahen. Ein besonderes Augenmerk legte die Klinik auf die synoptische Auswertung aller Untersuchungsergebnisse durch ein interdisziplinäres Team – eine Qualität, die ihrer Ansicht nach ambulant nicht gewährleistet sei. Zudem verwies sie auf terminliche Engpässe und lange Wartezeiten bei Fachärzten im niedergelassenen Bereich.
Krankenkasse: ambulante Diagnostik in der Regel ausreichend – auch bei ALS
Demgegenüber machte die Krankenkasse geltend, dass sämtliche durchgeführten Untersuchungen – Anamnese, MRT, EMG, Blutbild etc. – auch ambulant möglich gewesen wären. Sie verwies auf die bereits erfolgte Erstdiagnostik in einem Universitätsklinikum und betonte, dass kein medizinisch ersichtlicher Zeitdruck bestand, der eine stationäre Aufnahme erforderlich gemacht hätte. Dass der Patient aufgrund seines Gesundheitszustandes keine ambulante Behandlung, nicht einmal an einer hochspezialisierten Ambulanz, wahrnehmen konnte, ließ sich der Dokumentation nicht entnehmen.
Das Argument: Der bloße Wunsch einer schnellen Zweitmeinung allein reiche nicht aus, um ausnahmsweise eine stationäre Behandlung im Sinne der Wirtschaftlichkeitsgebote nach § 12 SGB V als notwendig bzw. im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB V als erforderlich zu betrachten. Hinzu kommt, dass die Diagnosestellung durch ein hochkompetentes Team von Experten und eine zeitgerechte Terminvergabe auch an entsprechenden Fachambulanzen gewährleistet ist.
Medizinischer Dienst und gerichtlicher Sachverständiger: Uneinigkeit über Maßstab
Der Medizinische Dienst begründete mit seinem Gutachten die Sichtweise der Krankenkasse: Die Untersuchungen seien ambulant möglich und medizinisch keine stationäre Behandlung notwendig gewesen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hingegen bejahte die stationäre Erforderlichkeit – jedoch ohne die ambulanten Strukturen im Detail zu analysieren. Er argumentierte vor allem mit der Zeitkomponente und organisatorischen Hürden im niedergelassenen Bereich, legte dabei aber offenbar nur begrenzt leistungsfähige Einzelpraxen zugrunde und gerade nicht die spezialfachärztliche Versorgung in Fachambulanzen.
Urteil des Sozialgerichts Ulm
Das Sozialgericht Ulm folgte in seinem Urteil dem Sachverständigengutachten und der Argumentation der Klinik. Es stellte fest, dass aufgrund der Krankheitsprognose und der Vielzahl notwendiger diagnostischer Maßnahmen die stationäre Aufnahme „medizinisch notwendig“ im Sinne des § 39 SGB V gewesen sei. Die Entscheidung betonte, dass gerade bei einer so schweren Erkrankung wie ALS die enge zeitliche Taktung der Diagnostik entscheidend sei. Bei einer rein ambulanten Abklärung wäre laut SG Ulm die notwendige Geschwindigkeit nicht gewährleistet gewesen. Der koordinierte Ablauf innerhalb weniger Tage sei durch Einzeltermine bei verschiedenen Fachärzten kaum zu erreichen.
Allerdings ließ das Sozialgericht unberücksichtigt, ob alternative ambulante Versorgungsstrukturen – insbesondere Hochschulambulanzen und spezialisierte Zentren – eine ausreichende Versorgung hätten leisten können. Denn dort müssen gerade keine Einzeltermine in unterschiedlichen Praxen gemacht werden. Die pauschalen Annahmen wurden später durch das LSG kritisch hinterfragt. Ebenso blieb unberücksichtigt, dass die Erstdiagnostik bereits erfolgt und eine Therapie etabliert war. Unabhängig vom Rechtsanspruch auf Zweitmeinung ist daher kaum nachvollziehbar, dass eine zweite Diagnostik unter erheblicher Dringlichkeit erfolgen musste. Zudem blieb die Annahme, dass ambulante Strukturen nicht ebenso schnell und kompetent die Patienten versorgen können, eine unbewiesene Annahme, die dem Urteil dennoch zugrundegelegt wurde.
Das Urteil des LSG: stationäre Zweitmeinung nur, wenn der konkrete Gesundheitszustand des Versicherten dieses Setting zwingend notwendig macht
Berufungsurteil mit differenzierter Betrachtung der ambulanten Versorgungsstruktur
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg setzte dem eine klare Grenze: Weder die schwere Diagnose ALS noch der bloße Wunsch nach zügiger Diagnostik rechtfertigen automatisch eine vollstationäre Krankenhausaufnahme. Entscheidend sei stets der konkrete individuelle Gesundheitszustand des Versicherten – nicht die grundsätzliche Schwere der Erkrankung.
Maßgeblich ist der konkrete Gesundheitszustand – nicht die Organisationsform
Der Versicherte befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahme in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, war orientiert, berufstätig und nicht pflegebedürftig. Es gab keine Anzeichen dafür, dass er körperlich oder psychisch nicht in der Lage gewesen wäre, eine ambulante Diagnostik in einer Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen wahrzunehmen.
Kritik am Sachverständigengutachten
Der Senat stellte zudem klar, dass der gerichtliche Sachverständige die Versorgungsrealität spezialisierter Fachambulanzen nicht im Blick hatte. Seine Annahme langer Wartezeiten und organisatorischer Fragmentierung basiere auf dem Bild niedergelassener Einzelpraxen – nicht aber auf koordinierten Ambulanzen mit multiprofessionellen Teams, die gerade für die Diagnostik und Therapie schwerer Erkrankungen wie ALS (und anderer) eingerichtet wurden (vgl. auch § 116b SGB V).
Spezialambulanzen als effektive Alternative
Ambulanzen für Motoneuronerkrankungen als tragfähige Versorgungsstruktur
Das LSG betonte ausdrücklich, dass es in Deutschland ein funktionierendes Netzwerk an Spezialambulanzen für Motoneuronerkrankungen gibt – beispielsweise koordiniert durch das MND-Net. Diese Einrichtungen bieten hochspezialisierte Diagnostik, Therapieeinleitung und Verlaufskontrollen – und zwar ausdrücklich auch im ambulanten Setting. Sie sind oft an Kliniken der Maximalversorgung angebunden und verfügen über interdisziplinäre Expertenteams.
„Aus einer Hand“ ist auch ambulant möglich
Ein zentrales Argument der Klägerin und des Sachverständigen – die Notwendigkeit einer Diagnose aus einer Hand – wurde vom Landessozialgericht widerlegt. Auch ambulante Hochschulambulanzen bieten eine abgestimmte Diagnostik und Versorgung mit neurologischer, bildgebender und laboranalytischer Expertise. Der gerichtliche Verweis u.a. auf das MND-Net unterstreicht: Der Vergleichsmaßstab fragmentierter Einzelpraxen ist für die Beurteilung, ob nur noch eine stationäre Behandlung in Betracht kommt, nicht zielführend.
Gemäß § 12 SGB V gilt: Leistungen müssen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein – und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die stationäre Aufnahme ist daher nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich zu rechtfertigen. Das Urteil erinnert daran, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot kein Randaspekt, sondern ein tragender Rechtsgrundsatz ist. Offen bleibt allerdings, ob dieser Grundsatz der Zweitmeinungsdiagnostik bereits für sich genommen entgegensteht, wenn die Erstdiagnostik mit fachlicher Expertise die Diagnose bereits gesichert hat.
Die Bedeutung des Urteils für die Praxis
Ambulant vor stationär – auch bei schweren Diagnosen
Das Urteil hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung: Selbst bei schwerwiegenden Diagnosen wie ALS reicht eine ambulante Diagnostik aus, wenn nicht medizinische Aspekte des Einzelfalles diesem Setting entgegenstehen. Eine stationäre Aufnahme ist dann nur erforderlich, wenn sie konkret im Einzelfall medizinisch zwingend ist – nicht weil sie (vermeintlich) schneller oder komfortabler wäre.
Relevanz für die MD-Prüfung: Aufnahme zur Zweitmeinung kritisch hinterfragen
Für die Rechnungsprüfung der Krankenkassen und die MD-Prüfung ergibt sich daraus: Der dokumentierte Gesundheitszustand muss die Notwendigkeit der stationären Versorgung medizinisch nachvollziehbar begründen; eine ambulante Diagnostik darf selbst an einer Fachambulanz nicht in Betracht kommen. Ist dies nicht der Fall, spricht im Prüfverfahren viel für eine Fehlbelegung. Auch MD-Prüfärztinnen und ‑ärzte sollten diesen Maßstab im Blick behalten, wonach bei Zweitmeinungsdiagnostik hinterfragt werden kann, ob sie überhaupt zulasten der Krankenkasse erbracht werden kann (§§ 12 Abs. 1, 27b Abs. 1 SGB V); jedenfalls, ob sie nicht an einer spezialisierten ambulanten Einrichtung ebenso möglich gewesen wäre.
Das Urteil des Landessozialgerichts stärkt die Bedeutung der ambulanten Versorgung auch bei schwereren Erkrankungen und die damit einhergehende Position der Krankenkassen im Abrechnungsstreit. Es macht deutlich: Eine stationäre Leistung darf nicht allein deshalb abgerechnet werden, weil sie vermeintlich effizienter erscheint. Entscheidend ist, ob der Versicherte eine ambulante Leistung tatsächlich nicht in Anspruch nehmen kann.
Fachliche Bewertung: Warum das Urteil überzeugt
Juristisch fundiert und medizinisch differenzierte Betrachtung der Zweitmeinung
Die Entscheidung des 4. Senats des LSG Baden-Württemberg überzeugt durch ihre methodische Stringenz. Sie analysiert präzise die Erforderlichkeit der stationären Versorgung anhand der Voraussetzungen des § 39 SGB V und des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 12 SGB V.
Kein Automatismus bei schwerer Diagnose
Das Gericht macht deutlich: Weder die schwere Erkrankung der ALS noch der Wunsch nach schneller Diagnostik begründen automatisch einen stationären Aufenthalt. Es kommt auf den konkreten Funktionszustand und die ambulanten Alternativen an. Pauschale Annahme über die vermeintlich fehlende Leistungsfähigkeit der ambulanten Versorgung greifen nicht durch.
Grenzen der Sachverständigenbewertung
Bemerkenswert: Das LSG setzt sich kritisch mit dem gerichtlichen Sachverständigengutachten auseinander – und korrigiert dessen fehlende Berücksichtigung der spezialisierten ambulanten Strukturen. Auch dieses methodische Vorgehen überzeugt. Es ist leider in der Rechtspraxis keine Selbstverständlichkeit, dass Sachverständigengutachten kritisch hinterfragt werden. Vielfach werden Sachverständigengutachten leider als vorweggenommenes Urteil behandelt. Das Urteil des Landessozialgerichts reiht sich damit in Urteile ein, bei denen die Spruchkörper differenziert mit medizinischen Feststellungen und Wertungen einerseits, Rechtsmeinungen und freien Würdigungen des Sachverständigen andererseits umgehen.
Keine Klärung des Zweitmeinungsanspruchs nach § 27b SGB V erforderlich
Interessanterweise ließ das Gericht ausdrücklich offen, ob im konkreten Fall ein Rechtsanspruch auf Zweitmeinung nach § 27b SGB V überhaupt bestand. Angesichts der bereits gesicherten Erstdiagnose durch ein Universitätsklinikum ist der Nutzen einer Zweitmeinung zumindest fraglich. Hier könnte § 12 Abs. 1 SGB V entgegenstehen, da eine Diagnose bereits qualifiziert gestellt wurde. Ob die Zweitmeinung dem „Maß des Notwendigen“ in einer solchen Situation entspricht, lässt sich hinterfragen. Hinzu kommt, dass § 27b SGB V ohnehin seinem Wortlaut nach einen „planbare Eingriff“ voraussetzt und der Gesetzgeber selbst davon ausging, dass es für Zweitmeinungen als Rechtsanspruch einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf.
Der Senat stellte klar: Selbst wenn ein Anspruch auf Zweitmeinung bestehen sollte, ergibt sich daraus keine automatische stationäre Erforderlichkeit. Entscheidend ist ausschließlich, ob der Versicherte eine Spezialambulanz in zumutbarem Rahmen ambulant aufsuchen kann.
Engagierte Vertretung in allen Instanzen
Strategische Argumentation in der Berufung
Unsere Kanzlei begleitete die Beklagte durch alle Instanzen. Bereits im Berufungsvortrag fokussierten wir uns auf die ambulante Versorgungsstruktur, den Gesundheitszustand des Versicherten und die Unschärfen des Gutachtens. Dieser Fokus zahlte sich aus – das LSG folgte unserer Argumentation in den streitentscheidenden Punkten.
Langjährige Erfahrung im Medizinrecht
Als spezialisierte Kanzlei für medizinrechtliche Fragestellungen verfügen wir über tiefgreifende Kenntnisse der sozialrechtlichen Prüfmaßstäbe im Abrechnungsstreit und der Praxis der MD-Verfahren. Wir verbinden juristische Expertise mit umfassender Kenntnis medizinischer Zusammenhänge und Versorgungsstrukturen.
Kontakt und Beratung
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Externe Ressourcen und weiterführende Links
- Netzwerk für Motoneuronerkrankungen (MND-Net)
- Verbund der ALS-Vereine Deutschlands
- SGB V § 39 – Krankenhausbehandlung
- SGB V § 27b – Zweitmeinung
Fazit: Ein wegweisendes Urteil mit klarer Botschaft
Ambulante Diagnostik ist zur Zweitmeinung bei ALS möglich
Das LSG Baden-Württemberg hat eine rechtlich und medizinisch klare Position bezogen: Auch bei komplexen Erkrankungen wie ALS kann die ambulante Versorgung der stationären vorzuziehen sein – wenn die Voraussetzungen stimmen. Das Urteil schafft Rechtssicherheit und stärkt eine wirtschaftlich nachhaltige Gesundheitsversorgung.
Für unsere Kanzlei bedeutet dieses Urteil mehr als nur ein prozessualer Sieg. Es bestätigt unsere Überzeugung: Gute juristische Arbeit beginnt bei der Differenzierung – nicht bei pauschalen Bewertungen.