Cytotec ® (Misoprostol) in der Geburtshilfe — Behandlungsfehler?
Der Einsatz des Arzneimittels Cytotec ® (Wirkstoff Misoprostol) in der Geburtshilfe ist hoch umstritten. Zugelassen ist das Arzneimittel zur Vorbeugung von Geschwüren des Magens und des Zwölffingerdarms. Der Einsatz zur Geburtseinleitung erfolgt als sogenannten „Off-Label-Use“, d.h. außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes des Medikaments.
Ein Risiko liegt insbesondere im Auftreten unkontrollierbarer Gebärmutterkontraktionen (sogenannter „Wehensturm“). Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Mutter und das Neugeborene hierbei schwerwiegende Schädigungen erleiden. Das Gehirn des Neugeborenen kann unter Umstände nur unzureichend mit Sauerstoff versorgt werden (hypoxischer Hirnschaden).
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Cytotec ®: Rote-Hand-Brief des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt vor Anwendung in der Geburtshilfe

Die deutsche Arzneimittelbehörde BfArM hat in einem Rote-Hand-Brief informiert, dass Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen des Cytotec ® bei der Anwendung im „Off-Label-Use“ eintreten können (Rote-Hand-Brief des BfArM vom 16.3.2020).
Das BfArM weist insbesondere auf folgende Risiken hin:
- zahlreiche Berichte über Nebenwirkungen beim Off-Label-Use des Cytotec ®
- keine Arzneimittelzulassung zur Geburtseinleitung in Deutschland
- keine Sicherstellung der Dosierung bei der Teilung der Tabletten, da diese nicht für die Teilung konzipiert sind
- Verfügbarkeit zugelassener Arzneimittel zur Geburtseinleitung in Deutschland
- keine Prüfung des pharmakologischen Verhaltens bei anderer Anwendung als der oralen Gabe
(z.B. sublingual = „unter der Zunge“ oder buccal = Auflösen in der Wange)
Mit dem Rote-Hand-Brief hat die zuständige deutsche Bundesbehörde deutlich vor der Anwendung von Cytotec® im Off-Label-Use zur Geburtseinleitung gewarnt.
Möglicher Behandlungsfehler und Aufklärungsmangel im Rahmen der Cytotec ®-Behandlung im Off-Label-Use zur Geburtseinleitung
Da es zugelassene Arzneimittel zur Geburtseinleitung gibt, stellt sich die Frage, ob eine Anwendung unter diesen Rahmenbedingungen (vgl. auch ungenaue Dosierung) überhaupt noch dem Facharztstandard entspricht. Damit könnte der Einsatz als Behandlungsfehler (negative Abweichung vom Facharztstandard) zu werten sein. Zum heutigen Zeitpunkt ist damit zu rechnen, dass sich erst nach mehreren gerichtlichen Verfahren herausstellen wird, ob der Einsatz als noch vertretbar oder bereits als behandlungsfehlerhaft zu sehen ist.
Cytotec ® im Zusammenhang mit der Geburtshilfe ist bei Gericht nicht neu. Das Landgericht Bonn den kontraindizierten Einsatz von Cytotec ® festgestellt, weil Cytotec ® nach einem vorausgegangen Kaiserschnitt eingesetzt worden war. Aufgrund dieses und weiterer Fehler verurteilte das Landgericht zu 400.000 € Schmerzensgeld wegen einer schweren Geburtsschädigung. Neben dem früheren Kaiserschnitt stellt jede Operation an der Gebärmutter (z.B. Entfernung von Myomen oder die operative Behandlung einer Endometriose) eine Kontraindikation für die Anwendung von Cytotec ® dar. Damit zeigt sich, dass bei der Anwendung von Cytotec ® im Off-Label-Use bei der Geburtshilfe viele Fehler passieren können. Auch deshalb muss der Einsatz von Cytotec ® eine engmaschige Geburtsüberwachung nach sich ziehen, z.B. durch ein dauerhaftes CTG.
In jedem Fall stellt der Off-Label-Use hohe Anforderungen an die Aufklärung des Patienten. Gerade bei zugelassenen Alternativen muss die werdende Mutter sich frei und selbstbestimmt in Kenntnis der etwaigen Risiken für oder gegen den Einsatz von Cytotec ® entscheiden können. Dies setzt eine vertiefte Aufklärung, auch über die Alternativen, voraus. Auch über das erhöhte Risiken für Geburtskomplikationen muss der Patienten Kenntnis erlangen. Denn nur, wenn der Patient genau weiß, worauf er sich mit der Behandlung einlässt, kann er wirksam in die Behandlung mit einem Off-Label-Arzneimittel einwilligen.
Was sollten Betroffene unternehmen?
Betroffene sollten die Sach- und Rechtslage frühzeitig mit anwaltlicher Hilfe prüfen lassen. So können ggf. bestehende Ansprüche bei der Gegenseite angemeldet werden. Als medizinrechtliche Anwaltskanzlei mit medizinischer Expertise vertreten wir Betroffene bundesweit außergerichtlich und gerichtlich. Gerne schätzen wir auch Ihren Fall ein und helfen Ihnen bei der Verfolgung Ihrer Rechte weiter. Hierfür können Sie Kontakt mit unserer Kanzlei aufnehmen oder das Formular nutzen.